Saigon

Meinen ersten richtigen Tag in Saigon verbringe ich mit einem Spaziergang durch die Stadt und ihre Shoppingmalls. Saigon ist wirklich cool! Ach ja, endlich komme ich dazu, zu mailen und nachdem ich einige besorgte E-Mails meiner Eltern und Freunde lese, die sich über meinen Verbleib Sorgen machen, gehe ich sofort in einen Call-Shop und rufe sie an um sie zu beruhigen. Das Kind ist nicht im Taifun umgekommen…

Am 04.10. mache ich mal wieder eine Ausflugstour, diesmal geht es mit dem Bus nach Tay Ninh zum Cao Dai Tempel. Der Caodaismus ist eine Religion, bei der asiatische und christliche Glaubenssätze vereint sind. Der Tempel ist aufsehenerregend, er hat von vorne doppelte Kirchtürme, in der Mitte eine moscheeartige Kuppel und hinten sieht er aus wie eine Pagode. Wir beobachten die 12-Uhr-Messe,  was wirklich sehr interessant ist. Im Bus sitze ich neben Saeko aus Tokio. Im Nachhinein schäme ich mich ein wenig, weil ich mir zunächst nicht die Mühe gemacht habe, mit ihr ins Gespräch zu kommen, da ich fälschlicherweise annehme, dass sie – wie viele ihrer Landsleute – kaum englisch spricht.

Zusammen besichtigen wir noch die Tunnel von Cu Chi, die im Vietnamkrieg als Versteck für den Vietcong genutzt wurden. Wir krabbeln durch einen Tunnel, in dem es furchtbar stickig und klaustrophobisch eng ist. Am Ende schlottern mir die Beine, weil wir die ganze Zeit in gebückter Haltung hindurch mussten. Man kann sich dort auch im Schießen üben, pro Schuss ca. 1 €, zur Auswahl stehen AK47, M16 und noch ein paar andere Waffen. Ich finde das reichlich bizarr und geschmacklos.

Abends gehe ich mit Saeko und Jake aus Kalifornien indisch essen. Weil es in Saekos Hotel Ameisen gibt, zieht sie zu mir ins mit 12 $ pro Nacht etwas teurere Spring House Hotel. Auf dem Weg werfe ich einen Blick in Kerstin‘s Hotel und frage an der Rezi, ob sie schon vom Mekong Delta zurück ist. Und siehe da, sie ist es und wir ziehen mit 2 schwulen Israelis los in eine Bar, das ‚Apokalypse Now‘. Es ist abartig laut und haufenweise Prostituierte‘ vergnügen‘ sich mit fetten, alten Westlern. Nichts, was wir unbedingt brauchen…

Am nächsten Morgen treffe ich Kerstin um 10 Uhr zum Shoppen. Vorher gibt es noch etwas Kultur, wir schauen uns nämlich erst den Wiedervereinigungspalast an, nehmen uns dann ein Taxi und fahren zum Tempel des Jadekaisers, einem der wichtigsten Heiligtümer Saigons. Wir sind erstaunt, wie klein und eher unscheinbar das ist und müssen herzlich lachen ob der Mühen, die wir dafür in Kauf genommen haben.

Dann schlagen wir uns mit dem Local-Bus zum Benh Thanh-Markt durch, wo wir erstmal in einer der zahlreichen Garküchen essen. Der Kerl, der uns unser Essen gibt, setzt sich dann zu uns und isst ebenfalls. Er verspeist tatsächlich eins von diesen Eiern wo ein angebrütetes Huhn drin ist. Mir war nicht klar, dass die schon so richtig ausgebildet sind, man kann wirklich alles erkennen an dem Küken. Uah, gruselig!

So gestärkt schlagen wir übelst beim Shoppen zu. Danach müssen wir erst mal Taschen kaufen, um das Zeug noch transportieren zu können! Zum würdigen Abschluss des Tages gehen wir ins Sheraton-Hotel und fahren voll bepackt mit Plastiktüten in die Bar auf der Terrasse im 23. Stock, wo wir uns zum Happy-Hour-Preis von ca. 6 € 2 Cocktails genehmigen und uns stundenlang an den dazu gereichten Nüsschen festklammern. Der Blick über die Stadt ist atemberaubend, besonders, als die Lichter überall angehen. Als es sich wirklich nicht mehr rechtfertigen lässt, noch länger an unseren mittlerweile wässrigen Cocktail-Resten zu saugen, marschieren  wir recht angeschickert, aber erhobenen Hauptes durch die elegante Riesenlobby nach draußen.

Eigentlich wollen wir uns noch im GO2, einer anderen Bar, mit einem Schweizer treffen. Als der nicht auftaucht, gehen wir in den Park und lernen dort ersatzweise Nishal und Aasiya kennen, die aus Tansania stammen aber in London aufgewachsen sind. Da die beiden ebenso wie ich morgen nach Mui Ne fahren, verabreden wir uns dort für den kommenden Abend in der Pogo Bar.

Saigon

Nach ca. 7-8 Stunden komme ich im Süden des Landes an. Bis hierhin habe ich bereits ca. 1800 km zurückgelegt. Da ich fast pleite bin, kann ich mir kein Moto oder gar Taxi in die Innenstadt leisten und nehme einen öffentlichen Bus, der zum Benh Thanh-Markt fährt, welcher in der Nähe der Pham Ngu Lao – dem Traveller-Viertel und Ziel meines heutigen Tages –, liegt.

Ich steuere vollbepackt die Gassen mit den Minihotels an und werde nach einigen Anläufen fündig. Im Xuan Hotel nehme ich mir in der 5. Etage ein Zimmer für 7 €. Es ist basic, aber sauber, hat ein eigenes Bad und TV. Ebenfalls inkludiert ist eine Riesenkakerlake, die mich im Bad erwartet. Entgegen meiner Gewohnheit stampfe ich mit voller Wucht drauf, aber sie ist stärker als ich. Dass die nicht mit mir auf dem Rücken losmarschiert, ist alles. Ich versuche, sie mit Haarspray soweit zu sedieren, dass sie nicht dauernd davon rennt und erledige sie dann mit einem gezielten Schlag mit meinem Flip Flop. Sieg auf ganzer Linie! Nach einer  Dusche, während der ich mich hektisch nach allen Seiten absichere, dass nicht noch mehr solcher Ungetüme auftauchen, gehe ich runter und bitte die Hotelbesitzer, die kläglichen Überreste der Kakerlake zu entfernen bis ich wieder vom Essen komme. Für so was wünsche ich mir dann doch immer eine männliche Begleitung…

Ich finde einen Bankschalter und mit neu nachgeladenem Portmonnaie mache ich mich auf die Suche nach einem schöneren Hotel und meiner Beschäftigung für die nächsten Tage. Ich buche eine 3-Tagestour durch das Mekong-Delta, zu der ich gleich am nächsten Morgen aufbrechen werde. Ich wäge (wegen Zeit- und Energiemangel) ab: Abendessen gegen E-Mail schreiben und entscheide mich klar für das Essen. Eine Entscheidung, die meine Angehörigen und Freunde zu Hause viele Tage im Ungewissen lässt, da ich niemanden davon unterrichtet habe, dass ich bereits in Saigon bin und lt. Berichterstattung im deutschen Fernsehen der Taifun ‚Ketsana‘ in der Gegend um Hoi An fast 100 Menschen tötet, rund 200 verletzt und rund 300.000 Häuser beschädigt oder zerstört.